Mittwoch, 19. Dezember 2012

Prag



Ein Wochenende in Prag

Wir kommen an einem Freitagmorgen in Prag an, das Taxi haben wir bereits von Deutschland aus bestellt zu einem Festpreis. Sehr viele Warnungen kursieren im Internet über betrügerische Taxifahrer.
Unser Fahrer ist sehr freundlich, spricht aber kaum deutsch. Dennoch entwickelt sich ein sehr nettes Gespräch auf englisch. Die Fahrt ins Hotel führt und die Vororte und Vorstädte von Prag, die sich nicht sonderlich von anderen Städten Europas unterscheiden. Als der Fahrer dann jedoch den Hinweis "Prager Burg" ausgibt, sind wir bald am Ziel.
Über den Kleinseitener Ring erreichen wir schließlich unser Hotel gegenüber der Deutschen Botschaft in Prag. Vorher wurde unser Auto noch von der Polizei auf Bomben hin untersucht, weil hier auch die amerikanische Botschaft in der Nähe ist.
Die Kleinseite ist ein Stadtteil Prags, der westlich an die Moldau grenzt und durch die Karlsbrücke mit der Altstadt verbunden ist. Früher wohnten hier wie auch in der Altstadt viele Deutsche bzw. deutsch sprechend Bürger.
Das ist nun vorbei. Nachdem Hitler die jüdischen Bürger deportieren und umbringen ließ, folgte 1945 die Vertreibung der Deutschen. Prag ist nun mehr eine rein tschechische Stadt. Was bedeutet das nun für den Touristen? Erst mal, dass er i.d.R. nichts versteht. Sogar Sehenswürdigkeiten wie die Prager Burg werden weder deutsch noch englisch ausgeschildert.
Aber zunächst mal müssen wir Geld tauschen. Eine im heutigen Europa fast unbekannte alte Sitte. Es gibt viele Wechselstuben und relativ wenige Banken.
Im Hotel hat man uns nach dem Bezug unserer Souterrainzimmer einfach nur den Berg herunter geschickt. Da sei auch eine Bank. Im Hotel spricht man kein deutsch.
Die Wechselstuben locken mit dem Hinweis "No Commission" und dem angeblich besten Kurs. Keine Gebühr bedeutet aber einfach nur, dass der Kurs um eine Krone niedriger ist als sonst. Wir entscheiden uns unterschiedlich. Ich persönlich gehe lieber zur Bank, muss aber feststellen, dass sich die Geldautomaten alle außerhalb an der Straße befinden, was ich angesichts der sich vorbei schiebenden Menschenmengen nicht gemütlich finde. Ich bekomme zudem nur große Scheine, was einen hinter mir Anstehenden dazu veranlasst, mir den Wechsel  in kleine Scheine anzubieten. Davor allerdings wird gewarnt und ich lasse mich nicht darauf ein. Der Mann ist jedoch hartnäckig und während wir noch über die 2000-Kronenscheine diskutieren, fängt er wieder mit einem Angebot an.
Andere gehen lieber in die Wechselstuben und tauschen ihr Bargeld. Im Endeffekt kommt es aufs Gleiche hinaus: Gebühren kosten eben. Wir gehen nun etwas essen in einem Kellerlokal, dass sich als Pizzeria entpuppt, wo man freundlich zu uns ist. Die Bedienungen singen bei der Musik mit und es herrscht eine lebhafte Unterhaltung an der Theke. Eine Wand ist mit einem Gemälde der Niklas-Kirche bemalt und mit Lichterketten dekoriert. es wirkt sehr heimelig, die Pizza ist groß, das Bier (Leibowitz) günstig und gut.
So gestärkt und mit Stadtplänen bewaffnet, beschließen wir die Altstadt zu erkunden. Dazu müssen wir über die Karlsbrücke, es ist früher Nachmittag. Noch kann man einigermaßen gehen. Auf der Brücke selber bieten allerlei Künstler ihre Waren und Dienstleistungen an. eine Jazzkapelle spielt, sehr zum Gefallen vieler Passanten. Wir erreichen den Pulverturm, der den Eingang zur Altstadt darstellt. Ich fotografiere für meine Verhältnisse sehr viel, gebe aber irgendwann einfach auf.  Eine solche Menge alten Häusern und Kirchen habe ich noch nicht gesehen. Dresden ist dagegen ein Kinderspiel. Prag wurde ja im Zweiten Weltkrieg nicht so bombardiert wie die deutschen Städte, man schaut also in eine vergangene Zeit.
Ich versuche mich, in den diversen Plänen zu orientieren, wo wir sind, gebe aber auch das bald auf. Es dauert einfach zu lange, die Schrift ist zu klein und die Lichtverhältnisse schlecht. wir gehen bald nach Gefühl. Das führt uns bis zum Altstädter Rathaus, nicht ohne das wir vorher einen guten Glühwein für 29 Kronen getrunken hätten. Die Preisunterschiede in der Stadt sind je nach Wochentag und Viertel beträchtlich. Einen Tag später wird ein total nach Nelken schmeckender Glühwein ungefähr das Doppelte kosten. Vom Altstädter Rathaus steht nur noch der Turm mit der Sonnenuhr. Deutsche Truppen hatten in den letzten Kriegstagen den Rest zerschossen. Uns aber plagt der Wunsch nach Kaffee und Kuchen, der in Prag nicht so leicht erfüllbar ist. Vor dem Café Mozart steht ein Mann, der uns in den ersten Stock des Gebäudes begleitet, wo noch viele Plätze frei sind. Aus recht klein geratenen Tassen trinken wir unseren Cappuccino, der preislich auf deutschem Großstadtniveau liegt.
Wir laufen der Nase nach weiter und passieren ein riesiges Gebäude, dass wie ein Theater aussieht und mit reichlich Gastronomie bestückt ist. Es ist die Stadthalle, woanders würde man das nicht übertreibend Palast nennen.
  


Am Bahnhof angelangt, wollen wir nun den Wenzelsplatz erreichen. Aufgrund der nicht vorhandenen Beschilderungen frage ich im Hilton Hotel den Portier. Der Mann ist hilfsbereit, versteht aber kein deutsch und somit auch mich nicht. Er schickt uns wieder zurück in die Richtung zurück aus der wir kamen. Mein Stadtplan sagt was anderes, aber wir müssten dazu an einer sehr verkehrsreichen Straße entlang laufen, was wir sein lassen. Die Altstadt an sich lässt sich ja sehr gut ohne Kontakt zum Autoverkehr durchqueren, größtenteils ist alles Fußgängerzone. Wir treten den Rückweg an, nicht ohne den Wenzelsplatz von der vermeintlichen Richtung her aus dem Kopf zu verlieren. Dadurch weichen wir vom Hinweg ab und verlaufen uns. Wir bestehen am Beginn oder Ende einer modernen Einkaufsstraße und bewegen uns eilig zurück Richtung Altstadt ohne aber zu wissen, wie wir die Karlsbrücke wieder erreichen können. Da fährt die Straßenbahnlinie 22, die auch auf der anderen Seite des Flusses unterwegs ist. Einsteigen mögen wir da nicht, denn wir wissen die richtige Richtung nicht. So frage ich einen jungen Mann auf englisch. Er scheint mich nicht zu verstehen und grinst stattdessen. Dann ein älteres Paar, das uns in die völlig falsche Richtung weist. Schließlich muss ein Taxifahrer dran glauben. Er kann es kaum verbergen, dass es ihm mächtig stinkt, an uns nichts zu verdienen. Aber er sagt uns die richtige Richtung. In einem asiatischen Geschäft erhalte ich dann noch einmal, jetzt freundlich, die Bestätigung und nach wenigen Minuten erreichen wir die Moldau.
Die Karlsbrücke ist nun noch voller und auch in unserem Stadtteil ist viel los. Nach einer Verschnaufpause im Hotel begeben wir uns zum Abendessen und finden in einem der Laubengänge in der Nähe der Niklaskirche noch einen Platz im Lokal. die Speisekarte verzeichnet die Speisen auch auf deutsch und o Wunder, die Kellnerin kann es auch ein bisschen. So wird der Abend gut, wir trinken tschechischen Rotwein und Bier und lassen uns den Platz für den nächsten Abend reservieren.
Der nächste Tag gehört dann "unserer Seite" von Prag. Wir gehen vom Hotel aus einfach die Straße weiter bergan, befinden uns bald unterhalb des Strahov-Klosters (ohne es zu wissen) und steigen auf den Petrinberg, wo sich ein Aussichtsturm befindet. Das Gelände auf dem Berg   ist parkähnlich und für schöne Spaziergänge geeignet.
Wir gehen an einem Spiegelkabinett vorbei, das wie eine kleine Kirche aussieht und passieren das Observatorium. wir genießen bei noch diesiger Luft die Aussicht auf die Stadt. Prag ist so etwas wie ein riesiges Freilichtmuseum. Im Hintergrund sind die modernen Satellitenstädte zu erkennen und wir sehen gleich das Uni- Gelände mit einem eigenartigen Betonturm und das Stadion.
Der Rückweg führt uns am Strahov-Kloster vorbei, wo zahlreiche Lokale locken. wir beschließen, ein Lokal mit einer sehr schönen Aussicht auf die Stadt inklusive der Prager Burg und den Veitsdom aufzusuchen. Der Kellner hier versteht sein Handwerk, spricht etwas deutsch und kann uns etwas empfehlen. Wir entscheiden uns, drin etwas zu essen und später bei dem schönen Wetter draußen einen Glühwein zu trinken.
Wir wählen Rinderbraten mit einem böhmischen und einem mährischen Kloß. Während uns der böhmische eher bayrisch vorkommt, ist der mährische im Grunde ein Germknödel. Die Soße hat auch einen eher süßlichen Geschmack, was wir als nicht unpassend empfinden.


Der Kellner gibt uns draußen sogar zwei Heizstrahler und mit den Decken auf den Stühlen wird es uns nicht zu kalt. Leider schmeckt der Glühwein so stark nach Nelke, dass es einem den Mund verzieht. Ist aber kein Problem, wir bekommen einen neuen, den wir selbst je nach Geschmack würzen dürfen. Die Zutaten liegen frisch in einem Schälchen bereit.
Gut gestimmt kommen wir zum Höhepunkt des Pragbesuchs, der Prager Burg. Die Burganlage ist wohl die größte Burganlage Europas und entsprechend große Menschenmengen passen hinein. Allenthalben werden Fotoapparate in die Luft gereckt. Der Veitsdom ist gewaltig.
Die Prager bildet aber auch mit ihrem großen Garten, der nur im Sommer zugänglich ist, die Grenze des alten Prag. Über die Schloßstiege steigen wir hinab und stellen fest, dass wir doch sehr nahe an der Burg gewohnt haben. Die Kirchen nehmen leider alle einen nicht unerheblichen Eintritt. Das wird wohl nicht der Grund sein, warum Prag als Goldene Stadt bezeichnet wird. Es sind eher ihre Dächer.
Der Tag klingt aus mit der Suche nach einem Café in der Nähe der Moldau. Das Café am Kafka-Museum hat wegen einer internen Veranstaltung geschlossen. Viele Männer Würfeln dort an einem Samstag! Kaffee und Kuchen im deutschen Sinn sind schwer zu finden. Die durchaus gemütlichen kleinen Cafés haben einfach nicht genug Platz. So landen wir in einem Hinterzimmer und werden nach Ewigkeiten auch bedient. Den Kuchen lassen wir vorsichtshalber gleich weg.Der Abend soll uns in der Gaststätte vom Vortag entschädigen, was nur bedingt gelingt. Die Bedienung ist wesentlich weniger bemüht, stattdessen gibt es mehr Konversation hinter der Theke. In Tschechien scheint es üblich zu sein, nicht allzulange in einem Restaurant zu sitzen.  Die meisten Gäste sind innerhalb einer Stunde mit dem Essen und Trinken fertig. Wir jedoch erlauben es uns, eine Flasche Wein zu trinken und einen Nachtisch zu essen. Und das an einem vorbestellten Tisch. Die Atmosphäre lädt ja an sich zum Verweilen ein, denn die Gasträume sind sehr gemütlich, Raucher und Nichtraucher sind getrennt, was längst nicht in allen Prager Lokalen so ist. Die Wände sind bemalt, aber naturbelassen.




Nach dem Genuss des Palatschinkens finden wir auf unserer Rechnung einen Aufschlag von 10%, was auch aufgrund von Informationen, die wir von Einheimischen haben nicht rechtens ist. Wir verzichten jedoch auf die Reklamation, da wir ohnehin vor hatten, ein gutes Trinkgeld zu geben.
Im Hotel wollen wir uns nun online bereits für den Rückflug einchecken. Der Portier gibt sich Mühe, ist aber wenig kompetent. Am Ende scheitert der Ausdruck der Bordkarten an einer fehlenden schwarzen Druckerpatrone. Angeblich kann eine neue erst am Montag besorgt werden. Dazu muss gesagt werden, dass unser Hotel vier Sterne sein eigen nennt.
Im Frühstücksraum werden die Gäste am nächsten Morgen nicht gegrüßt, auch hier spricht niemand deutsch. Man hat nicht das Gefühl, dass hier Hotelpersonal am Werk ist, allenfalls Aushilfskräfte, die in ihrer Freizeitkleidung ein bisschen arbeiten. Im Hotelzimmer selbst wurden Euromünzen gestohlen. Vermutlich haben die Zimmermädchen ein Trinkgeld für sich organisiert.
Wir treten die Heimreise mit gemischten Gefühlen an. Es konnte nun doch jemand die Druckerpatrone wechseln, so haben wir lesbare Bordkarten. Leider holt uns nicht der Fahrer ab, der uns gebracht hatte. Dieser redet nur nach Aufforderung. Wir sind jedenfalls zufrieden, als wir am Flughafen ankommen. Auf die ersten offiziellen deutschen Worte müssen wir warten, bis wir im Flieger sitzen, denn auch das Abfertigungspersonal der Lufthansa spricht kein deutsch.
Fazit: es bringt nichts gegen Mythen anzuschreiben. Prag ist nun mal die "Goldene Stadt" und Wien ist schön. Tschechen wären aber durchaus gut beraten, wenn sie nach nun bald 70 Jahren, die seit dem 2. Weltkrieg vergangen sind, die Erinnerung auch an die deutsche Vergangenheit in ihrem Lande zu lassen würden. Panslawismus hin oder her, in anderen osteuropäischen Ländern ist man da durchaus weiter.
Aber Tschechen fühlen sich ja auch nicht als Osteuropäer. Sie sind uns ähnlicher als sie denken, was in Deutschland lebende Tschechen durchaus bestätigen. Sie finden die Freundlichkeit hierzulande bemerkenswert.







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