Mittwoch, 5. Dezember 2012

Gold - XXXVIII

Rachel war zufrieden. Endlich schrieb er als sein eigenes Ich und nicht als ein imaginärer Paul. Wer ist denn dieser Paul auch, wer sollte das sein? 
Ich bin Paul, wer sonst? erklärte er. Den kleinen Jungen, der aufgeregt den Dampflokomotiven zugesehen hatte, den gab es nicht mehr. Der für alles Begeisterung zeigte, was neu war und der schöne Geschichten mochte. Dessen Fantasie an der Schlafzimmerdecke eine Bühne bot, der sich solange vertiefte, bis er Figuren sah, die sich bewegten.    
So, dann bist Du also tot? setzte Rachel nach. 
Nur weil etwas nicht mehr lebt, ist es ja nicht tot. 
Untot sozusagen? Warum lebt denn dieser kleiner Junge nicht mehr?
Der ist einen langen Weg gegangen, hat Stück für Stück nicht mehr geglaubt, eine Mutter gesehen, die mit der Bierflasche in der Hand den Vater schlagen wollte, hat mit Spannung gesehen, wie der Vater sich verteidigen wollte, als Zuschauer, wie bei einem Boxkampf.
Die Mutter tobte, bis sie vor Erschöpfung ins Bett fiel, nicht ohne vorher ins Zimmer des Jungen zu kommen und sich zu beklagen, wie schlecht der Vater sie behandelt habe. der Junge hatte tagsüber den Alkohol besorgt und wusste genau, was die Mutter getrunken hatte.
Vater hat auch geschlagen und der Junge konnte es teilweise verstehen, war hin und her gerissen.
Ich habe es Dir gesagt, so schlecht war Dein Vater nicht.
Paul erwachte. Der Mann, der ihn zum Militärdienst gezwungen hatte, ihm kaum zu behandelnde Angstzustände eingebrockt hatte und der verhindert hatte, dass er sein Studium rechtzeitig begann, der war nicht schlecht?
An Weihnachten, ja, da wurde dieser Mann sentimental, während die Mutter spöttelte. 
Da sollte man Lieder singen und das "Ave Maria" hören.
Und wenn er am 2.Weihnachtsfeiertag nach hause kam statt am Heiligen Abend, weil er es nicht aushalten konnte, da schickte er ihn gleich wieder weg.
Das war Paul, er ging seelenruhig sogar mit einer gewissen Erleichterung. Er machte weiter, wo der kleine Junge nicht mehr konnte. Er ignorierte den Zusammenbruch bis zur Selbstauflösung.
Du meinst, Du bist erwachsen geworden? fragte Rachel nachdenklich. Und: meinst Du nicht, dass andere ähnliches erlebt haben? So schlimm war es doch bei euch zuhause gar nicht. Mache doch andere nicht laufend für Dein Leben verantwortlich.
Paul hatte seine Ideale nicht vergessen. Aber wie soll man jemandem erklären, in welchem Gefängnis man sitzen muss, um innerlich zu sterben?



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