Mittwoch, 12. Dezember 2012

Gold - XLIV

Du hast also wegen dieser Frau dein altes Leben aufgegeben? fragte Rachel. Paul war erstaunt, wie wenig sie offenbar die Situation verstand, in der er sich befunden hatte. Aber es war ihm schon immer aufgefallen, dass Menschen offensichtlich, die aus ihrer Sicht wichtigen "Highlights" behalten und kommentieren. Er wollte nicht soweit gehen, zu behaupten, dass Frauen generell die Rolle, die Frauen in einer Geschichte spielen können, nur aus dem eigenen Blickwinkel verfolgen.
Es schien ihm aber klar, dass jeder Mensch in seinem eigenen Universum lebte und nur die Dinge zu ordnen konnte, die er selbst mal erlebt hatte. Deswegen legte er auch nicht all zu viel Energie an den Tag, um Erklärungen abzugeben. Wenn er schriebe, dann sicher nur für sich. 
Diese Einsicht stimmte ihn ruhiger, als er gerade zur damaligen Zeit wirklich war. Autarkie hatte er sich erarbeiten müssen. Wer seinen auf einem alten Holzstuhl sitzenden Vater als Gegner ausgehalten hatte, der brauchte sich vor neuen Feinden nicht zu fürchten. 
Da war zum Beispiel die Schwägerin seiner neuen Freundin. Sie hatte ihren Lebensplan zusammen mit ihrer Schwester vorgesehen und sah in Paul nun den Rivalen, den es auszuschalten gab.
Aber: Feindschaften erschienen Paul als vertraut, Freundschaften eher als unsicher. Und Anonymität gab Sicherheit: Frankfurt. 
Mit dieser Einstellung bist Du nach Frankfurt gekommen? Du willst mir nicht sagen, dass Du keine Liebe brauchst? Rachel war ein wenig mitleidig und zugleich beleidigt.
Paul hatte aber zuhause keine Anreden benutzt. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, "Vati" oder ähnliches zu seinem Vater zu sagen. Vielleicht hätte es Vater amüsiert, vielleicht hätte er aber auch seine Autorität untergraben gesehen. Seine Freundin hatte konstatiert, dass sie kein Verhältnis zueinander hätten,
die indirekten Anreden fand sie lustig.
Da stimmte Rachel sofort zu, bestand jedoch auf Antwort.
Paul antwortete eigentlich nicht gern auf so etwas und wenn, dann gab es ein Statement.
Die Liebe, sagte er, ist nicht platt wie eine Flunder. Sie ist vielseitig, sie kann mal Hass sein und mal in der Grauzone. Sie besteht auch über Entfernungen und ohne Nähe. Das beweist doch die Geschichte, die Du gerade liest.    

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