Samstag, 24. November 2012

Gold - XXX

So oder so, die Geschichte in Kassel war zu Ende.

Vater war gut vorbereitet, er hatte sich Kalender für das nächste Jahr besorgt. Solange das Wetter gut war,
konnte ihm der Winter und die Weihnachtszeit nichts anhaben. Sein Fahrrad stand bereit. Von der Bank hob er 30 € ab, das sollte für die nächste Woche reichen.  
Am Wochenende des 1. Advent war er mal wieder mit der Hausordnung dran. Das hieß vor allem Treppe wischen und vor dem Haus fegen. Nicht jeder machte seine Hausordnung ordentlich, vor allem die Ausländer nicht, wie er stets betonte. ihm aber war diese Pflicht der Mieter nicht egal. Er brachte die Karte, auf der die Mieter ihre Unterschrift leisten mussten, nachdem sie die Hausordnung erledigt hatten, zur Nachbarin im 
1. Stock, die in der nächsten Woche dran war. 
Als er zurück zur Wohnung ging, fühlte er sich seltsam benommen. Vielleicht sollte er sich hin legen, aber das war ihm zu unsicher. Eigentlich hatte er nichts mehr zu tun. Das Essen für den Tag hatte er sich schon gekocht. Ein großer Topf mit Erbsensuppe stand bereit.
Ihm fiel ein, dass er noch Sofakissen bügeln musste. Als er das Bügeleisen aus dem Schrank geholt hatte, bemerkte er ein Kribbeln in den Händen. Es fiel ihm aus der Hand. Die eigene Wohnung wurde nun zum  See, auf dessen Mitte er sich bewegte, ohne das Ufer zu erreichen. Angst stieg in ihm hoch, gepaart mit einer gewissen Überraschung. Er war doch sonst gut vorbereitet, ein gepackter Koffer mit Sachen für das Krankenhaus lag auf seinem Schlafzimmerschrank. Das Zimmer, in dem er gar nicht mehr schlief, seit seine Frau hier gestorben war. Er wollte anrufen, es ging um das Geld. Das war ein Ziel, aber der Körper machte nicht mit. Der rechte Arm war lahm, der linke ließ den Hörer fallen. Er versuchte, beruhigend auf sich einzureden, verstand sich aber selbst nicht. Was war das für ein unverständliches Kauderwelsch?
Die wenigen Meter zum Sofa dauerten eine Ewigkeit, er ließ sich fallen, kam in Rücklage, drehte und drehte sich dauernd. Irgend wann muss es doch aufhören, dachte er noch, begann zu dämmern. Endlich schlafen.
Sein Sohn war doch da, in der Aue, Männer standen um ihn herum, wollten Geld. er nahm die Verteidigungshaltung ein, bis er einen Schlag auf dem Kopf spürte. Wenn er nur seinen Schlagring dabei gehabt hätte. Er rannte und rannte, wollte nur noch nach hause.
"Du darfst mich nicht ins Krankenhaus bringen." 

"Heute Vormittag haben wir einen Anruf aus der Neurologie in Kassel bekommen. Der zuständige Arzt hat uns informiert, dass ihr Vater dort kurz nach seiner Einlieferung verstorben ist. (Nähere Informationen über die Todesursache habe ich aufgrund der Schweigepflicht des Arztes auch nicht). Ich habe der Klinik in Kassel mitgeteilt, dass ich Sie als Bruder von Herrn Dreyer informieren werde, damit sie alles Weitere organisieren und möglicherweise noch Abschied von Ihrem Vater nehmen können. Daher bitte ich Sie, sich in der Neurologie in Kassel zu melden. Leider liegt uns keine Telefonnummer von Ihnen vor, so dass wir Sie lediglich auf diesem Weg benachrichtigen können. Ihren Bruder werden wir die Nachricht in den nächsten Tagen übermitteln, sofern sein Gesundheitszustand dies zu lässt.
Mit freundlichem Gruß
(Dipl.-Psych.)"
Den Zettel mit meiner Telefonnummer und der Notiz seines Vaters, dass er im Falle seines Todes der Ansprechpartner sei, den hatte er später im Sekretär zusammen mit den übrigen wichtigen Unterlagen gefunden. Ebenso wie den Topf Erbsensuppe.  

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