Freitag, 23. November 2012

Gold - XXVIX

Das soll also die Wahrheit sein, dachte Rachel. Es ist aber wieder etwas übertrieben. Er tut so, als sei er ein Frauenschwarm gewesen. Jetzt schreibt er aber weiter und bringt die Krankheitsgeschichte eines Mannes zu Papier, den er besser ruhen lassen sollte. Anscheinend wird er auch damit nicht fertig. Sie betrachtete ihren langen Fingernägel, die sie gern irgendwo hin gekrallt hätte.
Paul hatte gelernt, dass man Frauen gegenüber nicht emotional argumentieren sollte. Vor allem nicht dann, wenn man mit ihnen zusammen lebte oder sie glaubten, man stünde ihnen näher. Es lag ihm auch fern, seine Berichte zu verteidigen. Er blieb stattdessen stumm und dachte über die Frage nach, was Fiktion oder Non-Fiktion war. Erinnerte sich nur kurz daran, wie er früher schon bemerkte, dass aus eigentlich ganz netten Typen in der Kneipe mit dem Auftauchen einer Freundin an ihrer Seite wahre Spaßbremsen und Langweiler geworden waren. Die Bedürfnisse, die Mütter in ihren jungen Söhnen wecken, werden sicher von anderen Frauen, die einem über den Weg laufen, nicht erfüllt. Die Mutterrolle, die eine Frau gegenüber ihrem Sohn einnimmt, ist sicher eine Fiktion. 
Dieser Gedanke allein hätte bei Mutter den Satz "Das darfst Du nie denken." ausgelöst. Obwohl sie sich selbst immer auf die "Gedanken sind frei" berief. 
Gewisse Dinge darf ein Mann nicht denken. Censored by Schatz, sozusagen.
Rachel jedoch war noch nicht fertig. Was sind das für Kinderbilder, die Du ihm ins Krankenhaus gebracht hast, so lautete die Frage. 
Reine Fiktion, murmelte er und dann entschlossener: etwas Hoffnung musste in diese Geschichte ja hinein kommen. Wenn Zweifel ein Feuer sind, dann loderte das jetzt schon ganz heftig. 

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