Freitag, 21. September 2012

Gold VII

Wie in freier Wildbahn, kann es sich auch nur der starke Mensch leisten, auffällig zu sein und ich war, leider, wider Willen, auffällig. Und meist mit negativen Konsequenzen.
Wenigstens stören mich die Plastikmenschen nicht, sie sehen und denken nichts. Das ist wirklich sehr freundlich. Sie geben mir allerdings auch keine Tipps und erinnern mich nicht, wenn ich etwas liegen lasse. Also kann ich mir die Frage nach dem Weg sparen. Das bin ich gewohnt.
Also weiter gehen an Gummibüschen vorbei auf diesen Hügel, auf dem in einiger Entfernung das Abbild eines verspielten Ritterburgnachbaus thront.
Zwei Knie stoßen mich fast aus dem Traum. Ich bin einfach zu groß.
Vater selbst schildert uns einen Überfall von drei Männern in der Karlsaue an seinem Lieblingsplatz. Umringt hätten sie ihn und er habe einen Schlag auf den Kopf bekommen. Sie hätten ihm Geld aus dem Portemonnaie genommen, zum Glück seien es nur 15 € gewesen und er sei weg gelaufen. Weder zum Arzt noch zur Polizei. Er wusste nicht mehr wohin. Ein Volksfest sei da gewesen und ich wäre wohl auch da.
Nun ist Freitag, Vater hat seinen 77. Geburtstag allein im Krankenhaus verbracht im Kampf gegen die Umstände und das Personal. Als ich die Tür auf mache , erkennt er uns sofort, ist überrascht, mich zu sehen.Aber ich will nicht auf andere achten, sondern auf mich. Mein Handy vibriert und ich will dran gehen. Auf dem Display redet eine Frau immer lauter. Welches Netz gibt es denn hier? Das Display platzt fast und ich gerate in Panik, weil ich zu sprechen versuche und nichts ankommt. Das muss ein Alptraum sein. Plastikmenschen lesen doch keine Zeitung, halten mir die FAZ vor die Nase oder sich selbst Plätze frei. Sie wollen auch keine Störungen beseitigen oder Termine planen. Sicher wecken sie mich auch nicht mit lästigen Handyklingeltönen. Niemand wartete in der Wohnung auf mich. Hier aber, wo schon mein Bruder als kleines Kind in Behandlung war und es nach Aussagen der Schwester um Leben und Tod ging, lag nun mein Vater im festen Glauben, dass sei alles nur ein Irrtum. Am Samstag noch hatte er die Hausordnung gemacht und wollte die Karte, die das bestätigt, unterschreiben und an den Nachbarn weiter geben. Aber er konnte nicht mehr unterschreiben. Alles fing, wie er sagte, mit einem Kribbeln in den Fingern an, dann konnte er sich nicht mehr bewegen. Zuvor war er aber noch die Treppen zum ersten Stock hinunter gegangen, um die Nachbarin zu bitten, für ihn zu unterschreiben. Der Frau fiel auf, dass er so komisch aussah, sie beobachtete, wie er in die Wohnung zurück ging. Sie ließ es nicht auf sich beruhen (sie arbeitet in einem Pflegeheim) und schellte an der Tür. Mein Vater öffnete, wirkte jedoch sehr verwirrt. Wie sie erkannte, ließ er fast alles fallen. Auf ihre Frage, ob sie den Notarzt rufen solle, antwortete Vater, dass es ihm heute nicht passe, er müsse noch ein Sofakissen bügeln.  Die Nachbarin entscheidet den Notdienst von seinem Telefon aus anzurufen und in der Wohnung zu bleiben, bis die Sanitäter eintreffen.

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