Mittwoch, 26. September 2012

Gold IX

Wenn Einem die Dinge nicht wichtig sind, wozu lebt man dann? Da Menschen sich stets nach den gleichen Mustern verhalten und auch in ihrer Fähigkeit, anderen ihre Zuneigung zu zeigen, nicht sehr beständig sind, bleibt die Leidenschaft schnell auf der Strecke. Die Leidenschaft zum Beispiel, sich für Dinge zu interessieren, Umstände zu verändern, Herr seines Lebens zu sein.
Zu hause bei meinen Eltern hatte ich viel Zeit, zu studieren, wie sich das Interesse an Menschen verliert. Resignation und Flucht, das Bewusstsein änderte sich. Der andere ist schuld, nie man selbst. Das Warten auf den Schluck oder das Ausweichen. Ich bin geflohen. 
Ich komme dieser Ritterburg einfach nicht näher. Stelle mir vor, wie die Ritter ihrem König die Treue schwören. Wie sie ihn begleiten, um für ihn zu kämpfen. Mit gezogenen Schwertern aus dem Wald reiten, um zu einer letzten Schlacht für das Gute anzutreten, ohne an das eigene Leben zu denken. Das hatten wir doch schon einmal? Und ich wäre Einer von ihnen gewesen.Aber als Ritter gehörte man eigentlich zu einem höheren Stand. Wie hätte ich diesen erreichen sollen, wenn nicht von Geburt an dazu gehörend?
Eine schöne Vorstellung ist das sicher, einen Knappen an seiner Seite zu haben.
Am nächsten Tag ist Vater erleichtert, dass das Portemonnaie da ist, ich zeige ihm auch seinen Wohnungsschlüssel. Mühsam öffnet er es, sieht ein paar Glieder eine Kette und sagt, die Rosi mochte so etwas. Wir legen es in seinen Nachttisch und deponieren die Wäsche im Schrank. Er ist allein in einem Zweibettzimmer und dämmert vor sich hin.
Ich halte seine Hand, er beschwert sich über das Essen. Zu hause wäre das viel besser und er will auch wieder in die Wohnung. Ich sage ihm, was ich erfahren habe. Er soll sehr schnell zu einer Reha nach Bad Wildungen geschickt werden. Ist das weit weg, fragt er. Nein, erwidere ich und er ist erleichtert. Er spricht besser als am Tag zuvor, aber da er auch an diesem Tag seine Zähne nicht im Mund hat, ist er schwer zu verstehen. Mir wird klar, dass ich seine letzte Hoffnung bin. Er betrachtet mich als Helfer, um diesen Zustand in jeder Hinsicht zu verlassen. Vater und Sohn in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, sind zusammen gekommen nach langer Trennung. Und doch ist die Rollenverteilung klar Als ich ihm erzähle, was ich von der Nachbarin weiß, lacht er über seine Ausrede mit dem Sofakissen. Ja, so sind seine Argumente, er sagt nicht, wenn er etwas nicht will, er schiebt etwas anderes vor. Hat die Suppe auf dem Herd oder sonst etwas zu tun. Nur das Schicksal interessiert so etwas nicht. Aus dem Lautsprecher berieselt uns leise die Musik. Ich glaube nicht, dass er sie wahr nimmt.

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