Sonntag, 22. Juli 2012

2004 - III

Ich, Gandalf

Im Fangornwald materialisierte Gandalf, der Weiße. Lange nach dem Ende der Menschheit, sodass sich die Bäume wunderten. In einem Energiestrom hatten sich Turbulenzen gebildet,
die satte Zufriedenheit der Existenzlosigkeit geriet aus dem Gleichgewicht. Unruhe entstand., die den Fluss der Dinge störte. Gandalf erwachte aus einem langen, schlaflosen Nichts. Sollte er die Welt erneut vor den bösen Kräften erretten?
Der Ring war doch unwiederbringlich vernichtet. Aber hatte nicht auch Frodo, der Hobbit, einen unheilbaren Schwertstreich von den Nazgûl empfangen, der trotz des Sieges über die dunklen Mächte weiter wirkte? Frodo war in dieser Welt nicht heilbar. Konnte er, Gandalf, sich sicher sein? Er stand nun genau an der Stelle, an der er schon bei der ersten Wiederkehr den Gefährten der Ringgemeinschaft erschienen war. Aber hier war keiner von ihnen. Gandalf fühlte sich alt und einsam in seiner Figur. Die Widerstände dieser Daseinsform schienen ihm unannehmbar. Die schier unüberwindlichen Entfernungen der Räumlichkeit, die Zwänge, diesen schwachen Körper zu versorgen, all das steigerte seinen Unmut. Gefahren entstanden, weil dieses Lebensgebilde so empfindlich war. Der weiße Zauberer empfand so etwas wie Unsicherheit trotz seiner besonderen Kräfte. Letztlich war er ein alter Mann mit weißen Haaren und Bart in einem weißen Gewand und lediglich sein Zauberstab mochte etwas Besonderes sein.
Die knorrigen Bäume des Fangornwalds, längst ohne die Aufsicht der Ents und Baumbarts, sprachen: Gandalf, was machst du hier? Die Menschen sind längst vergangen und nicht mehr zu retten.
Was du hier siehst, ist nur noch ein Abbild deiner Vorstellung. Planet Mittelerde verglühte einst in der Sonne, als diese sich aufblähte, bevor sie in sich zusammen fiel zu einem schwarzen Zwerg. Vorher war die Menschheit lange ausgestorben. In ihren grenzenlosen Gier und dem Glauben, die Krone der Schöpfung zu sein, hatten sie sich alles genommen, ohne die Gesetze der Natur zu beachten. Sie strebten ihrem Ende mit Begeisterung entgegen, brachten sich gegenseitig um, um das Paradies zu erreichen. Die einen wähnten es auf Mittelerde, frönten der Dekadenz, die anderen erwarteten es in einem neuen Leben. Sie hatten vergessen, dass sie nur zu diesem Leben geboren waren und darin allein Erfahrungen machen sollten. So wurde es die Hölle für alle. Nachdem die Tiere und die anderen Bewohner Mittelerdes keine Lebensgrundlage mehr hatten, starben sie allmählich an dem Klima, für das sie verantwortlich waren. Lediglich die Ratten und am Ende die Insekten lebten danach noch. Wir Bäume beklagten große Opfer, mussten der Wüste weichen, denn Mittelerde wurde nun heiß. Beschienen von der gleichen Sinne, die schon eure Schlachten um Helms Klamm und Minas Tirith beleuchtete. Aber mit welchem Ergebnis, nachdem das Zeitalter der Menschen und Tiere beendet war, vertrockneten und verdursteten auch wir, bevor uns mächtige Stürme entwurzelten und hinwegfegten.
So erinnern wir uns alle an den Fangornwald und dies führt uns hier her. Glaubst du, es wiederholt sich alles?
Einige munkelten, das aber auch Sauron, der Herr der Finsternis zurückgekehrt sei. Er hatte die Brunnenfurt als Ort seiner Materialisation gewählt. Gandalf erahnte den Schrecken und die Angst, die den Hobbits in die Glieder fuhr als die Ringgeister ihnen genau an dieser Stelle auf die Spur kamen. Sauron liebte sicher die Symbolik, denn genau dort war seinem Sieg und dem Ring so nahe gewesen. Er würde in die Gestalt eines Ringgeistes fahren und das mächtige Schwert Mordors zum Sieg führen. Und es gab einen, den er suchte: Gandalf.
Der Kampf würde dieses Mal ohne die Gefährten geführt, ohne die wilden Reiter von Rohan und die Streitmacht der Menschen Gondors und ohne die Übermacht der Orks und Uruk-hai-Krieger und deren Verbündeter Mordors. Nein, es ist eine Entscheidung der beiden einzigen Kräfte.
Eine Entscheidung? Gandalf vernahm die Stimme Saurons überdeutlich. Sie war in ihm.
Der schwarze Reiter hatte sich genähert und wo sein Schwert einen Baum berührte, verschwand dieser. Das schwarzsilberne Zaumzeug Mordors glänzte, das Pferd scheute, ehe es zum Stehen kam. Fast unbeweglich saß die Gestalt im schwarzen Umhang auf ihm, das Schwert leicht erhoben. Die Kapuze wendete sich Gandalf zu. Für einen Moment glaubte Gandalf das Gesicht einer Jungfrau zu sehen, so gülden und rein wie eine Totenmaske. Unbeweglich, starr und voller Energie. Eine Entscheidung? Sauron wiederholte sich, gefällt sie dir, diese Symbolik? Es wird nichts an deinem Ende ändern, denn ich habe die Macht auch ohne den Ring. Gandalf hob den Elbenzauberstab in die Höhe und richtete ihn auf Sauron. Ein schier unendliches Nein brach aus ihm hervor und die weiße Energie mit ihr, umbrandete die unbewegliche Gestalt Saurons. Sein Pferd stieg in die Höhe, aber er bändigte es mühelos und stieg ab, schritt langsam auf Gandalf zu. Sauron hebt das Schwert, um den Zauber Gandalfs zu brechen. Doch die Klinge fährt hindurch ohne den Stab zu brechen.
Gandalf und Sauron berühren einander nicht, obwohl sie durcheinander gehen.
Sie wiederholen das Spiel und laufen fast im Kreis aufeinander zu, sie werden kleiner, längst ist Saurons Pferd dematerialisiert. Eine nackte schwarze Jungfrau tanzt mit einem weißen Derwisch, die Bilder wechseln. Bald wird alles Eins sein, der Energiestrom wird fließen, ein Hauch des Nichts, der Alles bedeutet.


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