Samstag, 31. März 2012

1999 - XI

Athena

Bringen Sie die Karte morgen mit, sagt der Kellner.
Grosse Erleichterung macht sich in mir breit.
Glück gehabt, ich bekomme mein Abendessen in der byzantinischen Taverne,
ohne meine Zimmerkarte vorzulegen.
Was mit grossen Erwartungen beginnt, endet im Kleinkram.
Im Zweifelsfall mit einer dreistündigen Verspätung unseres Abflugs nach Frankfurt.
Aber soweit bin ich noch nicht.
Noch geniesse ich mein Dasein als Herr der 1000 Fliegen und Herrscher über die Gier aller Katzen.
Herrscher ? Mit der Tatze macht mir eine klar, dass der Fisch auch Katzen schmeckt.
Bitte sehr, abgeben ist hier Pflicht.
Der griechische Traum zerspringt manchmal wie das Geschirr auf dem Boden neben mir.
Die Scherben fügen sich zu einem Bild nicht zusammen.
Musik und Gesang stimmen immerhin.
Authentisch vom Busfahrer vorgefahren, begleitet uns die Musik zum Airport.
Im Gegensatz zu uns, weiss der Fahrer von der Verspätung.
Sie brauchen sich nicht zu beeilen, hören wir erst später.
Er teilt unsere Zeit ein bisschen ein, nutzt jede Bodenwelle auf der Autobahn fast zum Anhalten.
Sein Gesang steigert sich in eine wehmütige Ekstase.
Du glaubst, der Bus kann nicht mehr oder der Chauffeur will Dich nicht weglassen,
ohne Dir seine Musik zu zeigen.
Leider muss er das Steuer fest halten, tanzt nicht auf dem Lenkrad und hebt nur die eine Hand zum Gruss
ungefähr jedes zweiten Lkws oder Busses, der uns entgegenkommt, begleitet von einem tiefen Hupton.
Die Kilometer werden länger, das Terminal weiter und doch sitzen wir endlich davor in der Sonne.
Ein Gemisch aus Kindergebrüll, Ansagen und breiten Schultern auf schmalen Sitzen folgt.
Warum also nicht alles neu beginnen am Ankunftsterminal, wo die Bars billiger sind als in der Abflughalle.
Die Maschine schwebt über dem Golf von Orfanu ein.
Eine bräunliche, bergige, mit grünen Tupfen durchzogene Landschaft liegt unter uns.
Saloniki ist unser Ziel. Die Landung ist ein wenig holprig.
Mit modernen Bussen fahren wir zum Terminal. Der Koffer ist da.
Nun steht da unser Fahrer in der Erwartung neuer Gäste.
Ich nicke ihm zu, schließlich ist er auch ein guter Sänger.
Warum der Mond noch über dem rot-dunkelblauem Firmament schwebt,
das Meer so ruhig zwischen den drei Fingern Nordgriechenlands plätschert,
ich weiss es nicht.
Erfahren konnte ich, das Getränkekarten nicht so genau genommen werden wie in Deutschland,
das derselbe Wein mal als trocken, ein anderes mal als halbtrocken deklariert wird.
Das Zimmer mit Terrasse eben auch Souterrain sein können, beim Zeus.
So höre das melancholische Lied über Saloniki
und suche den Mythos der griechischen Sagen versteckt unter dem Zeitgeist.
Du wirst Modernität mit alten Wurzeln finden
und alten Stolz im Gewand der modernen Göttinnen Athenas.
Platz des Verharrens in Würde, wirklich sagenhaft.



 

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