Freitag, 24. Februar 2012

1980 - XLII

Wo bleibt die Erkenntnis ?

Die Existenz des Lebens zu beweisen, das ist eine Aufgabe, die mir müßig scheint.
Das Leben beweist sich durch sich selbst, wir suchen ein für uns gültiges Bild davon.
Als Menschen schließen wir dabei alle Empfindungen anderer Lebewesen aus.
Unsere Auffassung der Dinge wird bestimmt von der Fähigkeit unserer Sinne, etwas aufzunehmen und von der unterschiedlichen Persönlichkeit,
die uns eine Subjektivität gibt, die mal als Objektivität, mal als Individualismus verstanden wird.
Zwar ist der Mensch als Einzelwesen einmalig und unterscheidet sich daher von all seinen Mitmenschen, doch bin ich der festen Überzeugung, daß auch er eine Variante eines immer gleichen Spiels ist und das es eine Einheit gibt, die sich aus der Unendlichkeit der Möglichkeiten ergibt, die gleichsam doch eine Begrenzung darstellt.
Der Mensch als Vielheit einer größeren Einheit, das ist die Aufhebung von Gegensätzen, die dennoch bestehen bleiben.

Trotz der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten menschlichen Lebens zwingen uns objektive biologische Notwendigkeiten wie das Atmen, Essen, Trinken, Schlafen und letztlich Sterben in eine Art der Lebenserhaltung und Fortpflanzung, die uns wiederum zwingt, uns nicht nur gleich zu verhalten, sondern auch darüber hinaus einen gemeinsamen menschlichen Konsens zu schaffen, der um so wichtiger ist, je mehr Individuen existieren.
Gerade daran scheitern wir allerdings: der Konsens, der sich bei den Tieren und Pflanzen zu perfekten Ökosystemen ausgebildet hat, will uns trotz überlegener geistiger Fähigkeiten nicht gelingen. Uns fehlt der perfekte Plan der Pflanzen und der Instinkt der Tiere.
Wie stelle ich mir einen Vogel vor, der "bewußt" zu fliegen versucht ?
Der Ersatz der übergeordneten natürlichen Steuerungsmittel durch den selbständigen Verstand mißlingt und das beweist, daß unser Individualismus den Untergang bedeutet und gleichzeitig, daß unsere Erkenntnis, selbst wenn sie zutrifft, ohnmächtig ist und bestenfalls als Vorstufe zum Tod und letzten Endes damit zur Einheit gesehen werden muß.
Mit Erkenntnis ist damit im weitesten Sinn Vernunft gemeint als Fähigkeit, Dinge zu beurteilen und innerhalb eines Gedanken- und Wertsystems in Beziehung zueinander zu setzen, einen eigenen Standpunkt zu finden.

Freilich ist es möglich, die Erkenntnisse zu akkumulieren und immer weiter zu ergänzen, sodaß eine höhere menschliche Objektivität erzielt wird, d. h. Erkenntnisse werden nachvollziehbarer.
Die Wissenschaft, im Gegensatz zum vorgegebenen Bauplan der Natur resp. Schöpfung, kann sich nie aus ihrem menschlichen Rahmen lösen, d.h. eine objektive Realität ist nicht herstellbar.
Damit ergibt sich die Frage: wozu also die Mühe, etwas erkennen zu wollen ?
Gerade der menschliche Rahmen gibt uns die Möglichkeit, irgendwo aufzubauen, hätten wir ihn nicht, so gäbe es nichts zu erkennen.
Die Begrenzung unserer Sinne heißt das Leben und die Erfahrung.
Der Mensch ist Ausdruck des Wunsches nach Unterscheidung und scheinbarer Trennung, obwohl er immer Teil des Mikro- und Makrokosmos bleibt.
Er besteht in ihm und aus ihm.
Und obwohl wir begrenzt sind, werden wir unsere Grenzen nie erkennen.
Weder die Weite des Universums, noch die kleinsten Teilchen werden wir sehen.
Nur in uns selbst finden wir philosophische Wahrheit: das Prinzip der scheinbaren Gegensätze. Nichts ist von Bestand und doch besteht es.
Auch die letzte Begrenzung unseres Daseins können wir als endlich und zugleich unendlich begreifen.
Wie können wir sterben, wenn wir eigentlich gar nicht leben ?

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