Montag, 19. September 2011

2002 - III (Le Fin)

Früher war der Bahnhof eine Heimat. Hier trafen sich alle, um irgendwo hinzufahren oder anzukommen. Eine große Gemeinschaft der Reisenden, die sich ständig veränderte, wie das Leben. All das konnte ich genießen, mir einbilden, stets mit jedem oder jeder ein Gespräch haben zu können, wenn ich nur wollte. Die Landschaft zog vorbei, die Orte sind wie eine Kette vertrauter Namen, die nur eins im Sinn haben: mich nach hause zu bringen und zu begleiten.
Heute fährst Du selber, eingesperrt in den eigenen Blechkasten und keiner hindert Deine Mitmenschen daran, kein Blick ins Gesicht oder sonst etwas, Dich zu schneiden oder zu drängeln. Die Geschwindigkeit, mit der alle hintereinander her fahren, scheinbar geschützt durch Kopf- und Seitenairbags, Aufprallschutz, ABS und Antriebsschlupfregelung, ist nicht natürlich. Etwas für Spieler, die die Regeln des Spiels immer neu setzen, sich manchmal dabei überschätzen.
Wer lenkt Dich? Da fehlt ein Gespräch, ein Augenblick. Du redest mit der Strasse, mit dem Gaspedal, der Bremse, der Kupplung und der Gangschaltung. Aber sie reden nicht mit Dir. Sie gehorchen und Du herrschst, sie sind nur so gut wie Du. Da ist kein Dialog. Das Draußen gleitet namenlos vorbei, der Blick bleibt starr.
Sage mir: Auf Wiedersehen!
Der Bahnhof bleibt meine Kathedrale, ich war schon lange nicht mehr im Gottesdienst. Mit den Füßen werde ich Dich betreten und andächtig Deine Pläne studieren, einen Zug nehmen und vielleicht zu Dir zurück kommen. 

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